Reinhold Hemker zur Bundestagswahl vor Ort: Rolle des Kümmerers vernachlässigt

1. Der SPD-Kan­di­dat Jür­gen Coße hat die Direk­t­wahl gegen die CDU-Kan­di­datin Anja Kar­liczek im Wahlkreis Ste­in­furt III deut­lich ver­loren. Coße führte als Grund für sein schlecht­es Abschnei­den ver­glichen mit der BTW 2009 an, dass Sie 2009 keinen grü­nen Mit­be­wer­ber hat­ten. Die SPD Ibben­büren spricht von einem Merkel-Sog, gegen den nicht angekom­men wor­den wäre. Überzeu­gen Sie diese Erklärungen?

hemkerRein­hold Hemk­er: Die Gründe für den Wahlaus­gang auch im Wahlkreis 128 sind natür­lich kom­plex­er. Es ist zum Beispiel nicht gelun­gen, deut­lich zu machen, dass die von Sozialdemokrat­en in der Zeit der Rot-grü­nen Koali­tion und dann auch in der Großen Koali­tion vertretene Finanz‑, Sozial- und Wirtschaft­spoli­tik eine der wesentlichen Grund­la­gen dafür war und ist, die zu der ver­gle­ich­sweise guten Sit­u­a­tion in Deutsch­land geführt hat.

Da hil­ft es natür­lich kaum, wenn vor­wiegend darauf geset­zt wird, dass nur mit der SPD die notwendi­gen und richti­gen Refor­men zum Beispiel in den Bere­ichen Gesund­heit, Pflege, Finanzen, Energie und auch inter­na­tionale Entwick­lung möglich sind. Die Rolle des Küm­mer­ers wurde dabei vernachlässigt.

2. Im Wahlkreis Ste­in­furt III trat­en zwei Bewer­ber an, die zunächst bei­de wenig bekan­nt waren. Anja Kar­liczek löste das Prob­lem, indem sie viel Präsenz bei diversen Ver­anstal­tun­gen zeigte, auch wenn sie inhaltlich nicht her­aus­ra­gen kon­nte. Die Mit­be­wer­berin der Partei Die LINKE, Kathrin Vogler, spricht davon, Kar­liczek habe einen unpoli­tis­chen, emo­tionalen Wahlkampf geführt, was die Wahlkampflei­t­erin Kar­liczeks “Sym­pa­thiewahlkampf” nen­nt. Kann man mit einem Wahlkampf, der auf Inhalte zielt, vor Ort keine Wahl mehr gewinnen?

Rein­hold Hemk­er: Inhalte und Per­son waren und sind nie voneinan­der zu tren­nen. Die von den Kan­di­datin­nen und Kan­di­dat­en vertrete­nen Inhalte und Pro­gramme müssen glaub­würdig, schlüs­sig und ver­ständlich vertreten werden.

Das ist Frau Kar­liczek offen­sichtlich auch durch ihre offene Art und auch durch die manch­mal zugegebene man­gel­nde Ken­nt­nis in Detail­fra­gen als Erst­be­wer­berin im Wahlkreis gelun­gen. Ich hat­te bei dem, was ich in den Aus­sagen in den Medi­en wahrgenom­men habe, nicht den Ein­druck, dass sie die Ver­mit­tlung der inhaltlichen Aus­sagen ver­nach­läs­sigt hat.

Ich habe in den Jahren mein­er par­la­men­tarischen Tätigkeit auch immer ver­sucht, die zu vertrete­nen Inhalte mit meinem Leben und damit mein­er Per­son in Ein­klang zu brin­gen. Ich glaube, dass die Bürg­erin­nen und Bürg­er, die zur Wahl gehen, das auch für richtig halten.

3. Die im Bun­destag vertrete­nen Parteien äußern derzeit klar, mit wem man nicht koalieren will, aber nicht, mit wem man gerne koalieren würde. Was für eine Lösung erwarten Sie und welche Zukun­ft­saus­sicht­en denken Sie, hat dieses Projekt?

Rein­hold Hemk­er: Es geht bei der Regierungs­bil­dung und der anschließen­den Regierungs­führung immer darum, die richti­gen und möglichst guten Lösun­gen für die Ker­nauf­gaben bei der Gestal­tung der Zukun­ft zu find­en. Und das muss immer mit Blick auf die glob­al zu gestal­tende Welt geschehen.

Das wird jet­zt auch Mess­lat­te sein dafür, welche Entschei­dun­gen für eine Regierungs­beteili­gung möglich sein kön­nen. Es würde also bei Koali­tionsver­hand­lun­gen für die SPD darum gehen, ob die wesentlichen Inhalte und Ziele des Wahl-und Regierung­spro­grammes bei ein­er etwaigen Regierungs­beteili­gung um-und durchge­set­zt wer­den könnten.

Es muss natür­lich auch geprüft wer­den, ob eine kon­struk­tiv-kri­tis­che Arbeit als größte Oppo­si­tions­frak­tion im Bun­destag in der jet­zi­gen Sit­u­a­tion nicht bess­er wäre. Zum jet­zi­gen Zeit­punkt eine bes­timmte Koali­tion zu favorisieren wäre völ­lig falsch. Die von mir gewün­schte Koali­tion ist lei­der nicht möglich.

Dr. Rein­hold Hemk­er saß für die SPD als Vertreter des Wahlkreis­es Ste­in­furt III von 1994 bis 2009 im Deutschen Bundestag.

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