Jetzt mal Tacheles. Das war zumindest der Untertitel der Jugend.Polit.Kultur-Veranstaltung am Freitag. Den sollte man der Veranstaltung selber nicht vorenthalten, auch wenn davon selbst wenig am Freitag mitzubekommen war — zumindest auf der Bühne.
Die Veranstaltung litt etwas unter Anfängerfehlern, was man den ausführenden Akteuren kaum ankreiden kann, aber die Verantwortlichen hinter der Kulisse mit etwas mehr Erfahrung, dürfen sich dieser annehmen:
- die Frage, ob es eine gute Idee ist, eine Diskussionsveranstaltung nah an einer viel befahrenen Straße zu platzieren, kann als beantwortet erklärt werden;
- wenn man schon ein Zirkuszelt als Ort des Geschehens wählt, wieso nutzt man nicht die Form für eine Manege, sondern baut eine herkömmliche Bühne auf?
- leider war der Ton mitunter ein Ärgernis: Zuschauer verstanden die Sprecher auf der Bühne nicht; auf der Bühne war nicht zu verstehen, was jemand in 5 Metern Entfernung sagt; wiederholt kam es zu lauten Rückkoppelungen;
- niemand sorgte für Ruhe, wenn Zuschauer wegen Unruhen im und außerhalb des Zeltes abgelenkt wurden oder nichts verstanden;
- die Moderatoren ließen sich von jemandem von der IFI einfach das Heft aus der Hand nehmen, als es um die merkwürdige Spende ging;
- wenn man als Moderator nicht bei den Diskussionsteilnehmern nachhakt, bekommt man auch kein Tacheles, sondern nur Politikfolklore zu hören;
- man kann Referenten genauer insturieren und insofern besser auswählen; es brachte herzlich wenig, dass da jemand das Wort Europa durchbuchstabiert (“E wie Euphorie. Von Euphorie bzgl. Brüssel ist gerade wenig zu spüren.”), wenn es besser um die Europawahl an sich gegangen wäre;
- dass beim Vortrag des Referenten kaum noch Jugendliche, die nicht zum Leitungsteam gehörten, anwesend waren, deutet auf einen Rohrkrepierer auf Grund des Gesamtkonzepts hin.
Gemessen daran, dass bei dieser Veranstaltung das Jahresgehalt von Richard Gemar verballert wurde, darf die Frage schon gestellt sein, was das Ganze denn nun gebracht hat.
Aber auch die Politik ließ sich durch die Veranstaltung eher zu Zirkus animieren:
- Dass es keine Partei oder Wählervereinigung geschafft hat, aus den eigenen Reihen jemanden unter 38 in eine Diskussion mit Jugendlichen zu schicken, ist schon schwach.
- Dass die IFI die Podiumsveranstaltung derart für Werbung in eigener Sache instrumentalisiert, weckt Zweifel, inwiefern man Respekt vor den Veranstaltern und vorm Publikum hat.
- Gezanke auf der Bühne vor Jugendlichen? Ernsthaft?
- Die Sau Kinder- und Jugendparlament durchs Dorf treiben, dabei verschweigen, dass die Politik für ein solches Projekt nicht ausreichend finanzielle Mittel bereit stellt, und dann darauf hinweisen, dass Jugendliche an sowas einfach nicht teilnehmen, ist eine Verwechslung von Ursache und Wirkung.
- Die Forderung, die Jugendlichen müssten einfach zu den Parteien kommen, ist eine Bankrotterklärung für die Selbstdarstellung der kommunalen Parteien, wenn sie nicht auf das Abschreckende, dass in ihren Parteien (Selbstdarstellungsdrang, Gezeter, Öffentlichkeitsarbeit) steckt, reagieren.
Vielleicht ist es aber auch einfach etwas zu viel verlangt, unter dem Zirkuszelt etwas anderes als Zirkus zu erwarten.
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