- Ich und Du und der Weltuntergang
Christoph Süß ist wohl der geistreichste unter den Humoristen im deutschen Fernsehen, was er wöchentlich in der Politik-Satire-Sendung quer unter Beweis stellt. Mit Morgen letzter Tag!legt er sein zweites Buch vor.Und gleich zu Beginn entschuldigt er sich: Eigentlich wolle er zu weniger Konsum aufrufen, aber als Autor sei es dann doch sein Bestreben, dass zumindest sein Buch sich ordentlich verkauft – sonst nimmt man seine Gedanken, die sich hierin verbergen, nicht wahr. Ein Bekenntnis zum Widerspruch, in dem man heutzutage oftmals lebt. Aber Bücher kosten halt Geld, was will man da machen?
Damit, dass das Buch Geld kostet, wird der Leser weniger ein Problem haben. Eher schon mit dem Anbiedern an die Philosophie, das Süß unternimmt, was dem Buch einen schalen Beigeschmack hinzufügt. Es sei aber zunächst einmal festgehalten: Das Buch unterhält den Leser vorzüglich, ist flott geschrieben, wie man so schön sagt, und die Vampir-Zombie-Theorie am Ende des Buches fand ich auch irgendwo witzig.
Ja, Witz, den hat der, der Süß. Seine Sympathiewerte werden nicht leiden durch diesen Schmöker. Aber das mit der Philosophie, das sollte er vielleicht doch etwas niedriger hängen. Ab Seite 85 geht er der Frage nach, ob es eine vernünftige Moral gäbe. Aber bei der Beantwortung dieser Frage übernimmt sich Süß dann doch maßlos. Sie passt eh nicht in dieses Buch. Sein Kant-Rawls-Namedropping und sein Stehenbleiben beim moralischen Kontraktualismus und Rechtspositivismus werden der Thematik nicht gerecht und es wird auch nicht klar, wie weit Süß diese Thematik durchdrungen hat oder nicht.
Gleich nach diesem Kapitel nimmt das Buch aber wieder an Fahrtwind auf, man sollte sich also nicht täuschen lassen, dass Süß der Wind aus den Segeln gekommen wäre. Süß’ Lösungen zur Frage, wie man sich heute verhalten soll, wenn man dem idealen Verhalten eines verantwortungsvoll geführten Lebens immer stark hinterherhinkt, überzeugen nicht, denn es läuft lediglich darauf hinaus, dieses Hinterherhinken zu akzeptieren.
Dabei ist das Gespenst, das Süß an die Wand malt, nicht von Pappe:
Das Wachstum, das der Weltbevölkerung, aber auch das von dem, was man im weitesten Sinne als “Fortschritt” bezeichnen kann, ist direkt an unseren Energieverbrauch gekoppelt. […] Kommt es zu einer “Verringerung” (die Anführungszeichen stehen wegen der im Begriff “Verringerung” versteckten Scheußlichkeiten), wird es auch zu einer “Verringerung” der Weltbevölkerung kommen. Ohne fossile Brennstoffe ist es wahrscheinlich nur möglich, etwa 1,5 Milliarden Menschen zu ernähren. […] Die Kriege, die in diesem Jahrhundert die Menschen zu dezimieren drohen (zusammen mit den Hungersnöten und anderen Grausamkeiten), werden den letzten Metakrieg leider an Schrecklichkeit wohl weit überbieten. (S. 146f.)
Wenn das mal nicht dramatisch klingt. Süß bringt den Leser sehr gut dazu, sich selbst mit dem Thema zu befassen. Und was kann ein Moderator mehr haben wollen?
Was ein Philosoph mehr haben sollte, ist eine auf den Punkt genaue Ausdrucksweise. Und die fehlt diesem Buch leider etwas. Denn eigentlich geht es um die Frage: Wie gehe ich mit Widersprüchen in meinem Leben um?, was eine eher praktische und nicht philosophische Frage ist. Da wäre zunächst einmal im jeweiligen Fall zu klären, ob ein Widerspruch vorliegt oder nur ein scheinbarer Widerspruch.
Konkret: Es ist nicht grundsätzlich moralisch verwerflich, Fleisch zu essen. Es ist schließlich irgendwo auch ein natürliches Verhalten. Allerdings ist es moralisch durchaus geboten, darüber nachzudenken, wie der eigene Fleischkonsum aussieht? Schlägt man im Supermarkt immer zu, wenn es billigstes Fleisch gibt? Dann stimmt man womöglich zu, dass Tiere unter schrecklichsten Bedinungen abgeschlachtet werden.
Wenn man Fleischessen demnach als eine moralische Problematik auffasst, kann man Fleisch essen, auch wenn einem Tiere nicht egal sind. Darin besteht kein Widerspruch. Dem Gedanken nach einfacher wäre es, vegetarisch zu leben, und so auf Kosten weniger Tiere zu leben. In der Praxis scheint diese Lebensweise aber einfach schwieriger zu sein.
Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
Preis: Das Buch kostet in gebundener Form 19,99€ und als E‑Book 16,99€.