Neu im Bücherschrank(22): John L. Austin – Zur Theorie der Sprechakte

DSCF8019 Trübe Aussichten da draußen. Immerhin hat’s noch nicht geschneit wie im Rheinland, das wirkt so kurz vor Karneval etwas unpassend. Irgendwie treibt es das belesene Publikum auch nicht sonderlich vor die Tür: Viel Kram im Bücherschrank, Tom Sharpe, ein Eiffel-Krimi, seichte Kost.

Daher mal wieder was Philosophisches Zur Theorie der Sprechakte von John L. Austin, dem grundlegenden Büchlein der Sprechakttheorie, übersetzt von Eike von Savigny.

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Der angebliche Markt für Kinderpornographie

Mir hat ein mal ein Richter in Ibbenbüren erzählt, er würde die Deutungshoheit, die sein Job mit sich brächte, durchaus nutzen, um etwas zu behaupten, wofür er eigentlich nicht genug überzeugende Gründe hat. Wer würde denn schon einem Richter widersprechen? Etwa so verstehe ich den folgenden Sachverhalt. In der IVZ wird von einer Verurteilung eines Mannes zu einer Geldstrafe berichtet, der im Besitz so genannter kinderpornographischer Dateien war. Die Journalistin hält zudem fest:

Die Staatsanwältin machte darauf aufmerksam, dass Kinder- und Jugendpornografie nur existiere, weil es einen Markt dafür gibt.

Das ist Unsinn. Aber sagen Sie einer Staatsanwältin, dass sie gerade Unsinn redet?

Mit Markt meint man landläufig doch ein wirtschaftliches Tauschsystem von Geld und Waren. Es wurde schon in der Internetsperrendebatte von einem Milliardenmarkt der Kinderpornoindustrie geredet – mit einem Haken: Dieser Markt, bei dem mit ökonomischer Strategie kinderpornographisches Material hergestellt wird, war nirgends zu finden.

Man kann den Begriff Markt auch anders verstehen und nur von einem nichtkommerziellen Tauschsystem sprechen. Dann hätte die Staatsanwältin gesagt, es gebe Kinder- und Jugendpornografie nur, weil es dieses Systen gebe. Aber auch dieser Gedanke ist falsch. Es gibt keinen Nachweis darüber, Kinderpornographie nur wegen einer Nachfrage hergestellt wurde.

Man sollte sich, wenn man sich für diese Angelegenheit interessiert, lieber an einen Experten halten. Der Rechtsanwalt Udo Vetter hat diverse Klienten gehabt, bei denen kinderpornographisches Material gefunden wurde. Er hält fest:

Keiner, ich wiederhole, keiner der in den letzten anderthalb Jahren dazu gekommenen Mandanten hat auch nur einen Cent für das Material bezahlt.

Alle, ich wiederhole, alle haben die Kinderpornos aus Tauschbörsen, Newsgroups, Chaträumen, Gratisbereichen des Usenet oder aus E-Mail-Verteilern. Manche kriegen es auf DVD, ganz normal mit der Post.

Kein einziger jedoch hat seine Tauschpartner bezahlt. Und diese Tauschpartner haben auch nichts verlangt. Selbstverständlich wertet die Polizei in den allermeisten Fällen auch aus, woher die Dateien kamen. Bezahlseiten sind nicht darunter. Auch verdächtige Überweisungen etc. werden nicht festgestellt.

[…]

Tatsächlich ist auch anhand der im Umlauf befindlichen Dateien unschwer festzustellen, dass es die Kinderpornoindustrie nicht gibt. Es gibt einen Grundbestand an Material, meiner Schätzung nach mindestens 98 %. Hierbei handelt es sich um Bilder und Filme, die schon seit vielen Jahren, ein Großteil davon schon seit Jahrzehnten im Umlauf sind.

Sofern neues Material hinzukommt, sind es Fälle von Missbrauch im privatem Umfeld, der – Fluch der Digitaltechnik – heute halt nun einmal einfacher abzubilden ist. Natürlich gibt es keine näheren Informationen zu den Umständen, wie solche Aufnahmen zustande kommen. Allerdings machen die meisten nicht den Eindruck, als werde ein Kind missbraucht, um einen Film zu drehen. Dass die weitaus meisten Kinderpornos häuslichen, also keinen gewerbsmäßig organisierten Missbrauch wiedergeben, ist auch unschwer daran zu erkennen, dass Opfer und Täter sich in den allermeisten Fällen offensichtlich kennen.

Wer behauptet, Kinderpornographie gebe es nur, weil es einen Markt dafür gibt, verschleiert, dass eben ganz andere Gründe zur Herstellung von Kinderpornographie gewichtiger sind: Prahlerei, Machtausübung, ein Dokumentationsinteresse, die Befriedigung von Sexualtrieben etc.

Und irgendwie legt derjenige auch nahe, dass Kinderpornographie woanders entsteht, als dort, wo sie offensichtlich entsteht: In der Privatsphäre von Kindern, die sich dort bisher sicher wähnten, und mit Personen ihres näheren Umfelds.

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Neu im Bücherschrank(24): Malte Pieper – Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

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Tja, wer beim Buchtitel nicht lachen kann, dem wird die weitere Lektüre auch nicht helfen. Warum muss eigentlich immer jeder gleich ein Buch schreiben? Reichen nicht die Pepe-Nietnagel-Filme?

Okay, einen Buchtrailer gibt’s auch noch. Denn der Buchleser von heute schaut ja gerne Videos, bevor er ein Buch aufschlägt:

Dies ist maximal ein Schmöker für Gleichaltrige, wobei mich wundern würde, wenn ich sowas in dem Alter interessant gefunden hätte. Lustiger geht es andersrum mit Wenn der Kuchen schweigt, sprechen die Kekse von Lesebühnenautor Uli Hannemann. Die Kuchen-Krümel-Sprüche kamen wohl auch schon im Münster-Tatort vor, genau weiß ich daher nicht, wo der Ursprung dieser Redeweise herkommt.

Wer es gehobener mag, der findet Annemarie Selinkos Desirée im Bücherschrank, der inzwischen auch wieder voller wirkt. Da zu gibt es auch ein Buchbewerbungsvideo, aber dieser Schmöker ist durchaus lesenswert.

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Faktencheck Politischer Aschermittwoch

Der Politische Aschermittwoch ist landauf landab beliebt für’s Derblecken, wie der Bayer sagt. Da wird gegröhlt und getrunken, auf die Inhalte sollte man da nicht weiter achten. Tun wir’s doch mal, denn wenn der inner Circle der CDU beklagt, man habe keinen intelektuellen Kopf, der es mit FDP-Spitzenmann Christian Lindner aufnehmen könne, kommt es doch wohl auf Inhalte an oder?

Zunächst spricht Armin Laschet. Wunderlicherweise stellt er es im Video so dar, als würden 60% der Kindergärten und diverse Krankenhäuser in NRW von den christlichen Kirchen finanziert. Das ist ungefähr so realistisch, als würde man behaupten, Kneipen würden von den Biermarken finanziert, die auf den Außenbeleuchtungen stünden. Es ist eher ganz umgekehrt so, dass nur ein Buchteil der finanziellen Mittel von Institutionen, die in der Verbindung zur Kirche stehen, von derselben Kirche finanziell unterstützt werden – wenn überhaupt: Kirchlich geführte Krankenhäuser werden zu 1% von der Kirche finanziert. Man kann sich also, um auf Laschet zu antworten, ganz leicht vorstellen, wie es aussähe, wenn sich die Kirche dort zurückzöge: Es würde überhaupt nicht auffallen. Ein finanzieller oder sozialer Kollaps, wie ihn Laschet heraufbeschwört, ist pure Fiktion.

Der Rest von Laschet hält, was der Name verspricht, es ist lasch:

Wer Bionade trinkt, ist heute moralischer, als der, der Fanta trinkt.

Zumindest konsumiert der Bionadetrinker ein Produkt aus kontrolliert biologischem Anbau und der Fantatrinker nicht. Das würde ich zumindest verantwortungsbewußter nennen, auch wenn ich lieber Wasser als Bionade trinke. Über die taz-Schlagzeile Gott sei dank zum Rücktritt des Papstes zeigt er sich so erbost, dass er die taz hochhält, bringt aber weniger als Ines Pohl im Text auf der hochgehaltenen Seite:

Ob beim Thema Frauen, Homosexuelle, Vergewaltigung, also insgesamt beim Thema Menschenrechte: Reaktionärer als dieser Papst kann man sich kaum äußern. Eine gern zitierte Einschätzung zu Aids: Die Verteilung von Kondomen sei nicht die Lösung im Kampf gegen die Immunschwäche. „Im Gegenteil, es vergrößert das Problem“, das sagte er auf einer Reise nach Kamerun. Auch der Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes in Luthers Heimat zementierte die Kirchenspaltung und zerstörte alle Hoffnungen auf eine längst überfällige Annäherung der beiden großen christlichen Kirchen. Eine Annäherung, die an der Basis schon lange und über alle Ge- und Verbote hinweg betrieben wird.

Dass sie keine Argumente liefere, kann man der Chefredakteurin nun nicht gerade vorwerfen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung interessiert aber in Recke niemanden, da kann man die taz ja auch gar nicht kaufen. Zu Schavan fällt Laschet dann auch noch was ein:

Schavan hat mehr für die Universitäten dieses Landes bewegt, als die Landesregierung in den vergangenen Jahren.

Das stimmt natürlich: Sie hat die Universitätsreform vergeigt, Exzellenzinitiative, Bildungsgipfel, Bundesuniversitäten – alles gescheitert. Immerhin hat sie sich als Ministerin selbst durch die Föderalismusreform aus der Bildungspolitik gekickt. Das nenne ich mal Bewegung: Annette Schavan hat ihr Ministerium auf das Erteilen von Fördergeldern reduziert. Damit ist es überflüssig, denn die Gelder können andere Ministerien genauso gut verteilen.

Karl-Josef Laumann ist nun auch nicht gerade sicher in seinen Inhalten:

Da traue ich in den letzten Wochen meinen Augen nicht mehr. Die Höhn von den Grünen sucht eine Mitarbeiterin. Für vier Euro – dafür können Sie im Monat eine Sekunde Steinbrück buchen.

Nein, sie suchte jemanden für einen Praktikumsplatz. Sicherlich sind 4€ in der Stunde nicht gerade ein Grund, um in die Luft zu springen, aber immerhin auch 4€ mehr als man in der Regel bei der Landtagsfraktion der CDU, SPD und Grünen im Landtag NRW erhält.

Aber auf die Pauke hauen, das kann er ja:

Wenn ein Land seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, ist kein Geld mehr da, um die Alten zu pflegen.

Hä? Ich dachte, die Kirche zahlt das. *hust*

(Der Ausgewogenheit halber könnte man ja auch mal was über den Politischen Aschermittwoch der SPD schreiben, aber da war wohl nur Zeit für Durchhalteparolen. Und so inhaltlich albern der Recker Aschermittwoch war, so langweilig, wie die SPD es gerne hätte, wird’s nicht gewesen sein.)

Aktualisierung
Mazztv hat die Reden von Laschet und Laumann online gestellt. Dazu:

– Laschet stellt es so dar, als wollten die Grünen schlicht Fleischessen untersagen. Dabei ging es nicht um Schnitzel, sondern um Mettbrötchen, die antibiotikaresistente Keime beinhalten, sprich um Gesundheit.
– Warum ein Katholik sich durch die Brüderle-Stern-Geschichte in seinen religiösen Gefühlen diskriminiert fühlen kann, weiß auch wohl nur Laschet.
– Dass überall bzgl. sexueller Mishandlungen von Kondern aufgeklärt würde, wie Laschet meint, sehen Opfer im Bistum Münster anders.
– Wenn Sie sich fragen, was soll den der Trimet-soll-nicht-nachIndien-Teil bei Laschet: Das mit Indien erzählt Laschet nicht immer, Indien wird Trimet selber ins Spiel gebracht. Und das nicht nur bezüglich der Stromkosten, nein auch CO²-Emmissionsabgaben sollen Trimet-freundlich, nicht umweltfreundlich sein.
– Grüner Strom ist Ökostrom, Herr Laschet.
– fehlerfrei geredet, nicht zu populitisch

Laumann hat starke erste 10 Minuten, die erste Argumentation finde ich sogar rund.

  • – aber ein Gutmensch ist ja gerade das Gegenteil eines guten Menschen.
  • – die Kuh-Geschichte von Norwich Rüße lässt sich in dessen Blog nachlesen. Rüße: „Wir können nicht menschliches Kälteempfinden auf Tiere übertragen.“ Laumann: „Stellt euch mal vor, wie das Kalb gebibbert hat.“ Ich: „Brüller.“
    – Die Forstamtsposse hat die WN aufgeschrieben und Wikipedia.
    – die Stellenausschreibung von Höhn ist wirklich merkwürdig, wenn auch nichts für jemanden mit Studienabschluss.
    – zum Rauchverbot: Wie in anderen Ländern sind auch in Deutschland durch das Rauchverbot Klinikbehandlungen aufgrund von Angina pectoris und Myokardinfarkten zurückgegangen. Das ist keine Ideologie, das ist Realität, Herr Laumann.
    – Oh, Laumann macht Sprachphilosophie, sehr geil, aber der Begriff Bildungsferne entstammt der Soziologie, nicht den Grünen.
    – ganz gut erklärendes Merkel-Portrait, starke Mitgliedereinbeschwörung, Röttgen-Bashing statt Befassung mit dem hemmenden CDU-Filz.

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    700 Gläubiger

    Die Hintergrundinfos der IVZ sind ja wieder mal unschlagbar:
    700glaeubiger

    Mal sehen, ob die ihre Kommentare lesen, bevor die Formulierung, die im Text wiederholt wird, in den Druck geht.

    Aktualisierung

    Ja, so ist das mit den Gläubigern: Man wird sie so schlecht los. Da hat man sie aus dem Online-Text gänzlich und in der gedruckten Ausgabe aus der Unterzeile vertrieben, aber im Haupttext sind sie dort dann wieder:

    Rund 700 Gläubiger waren gekommen.

    Vielleicht sollte man sie doch einfach auszahlen.

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    Vorsicht bei Schockanrufen in russischer Sprache

    In Ibbenbüren, Steinfurt, Ochtrup, Greven und Hasbergen kam es in letzter Zeit zu Schockanrufen durch russisch sprechende Betrüger, die über einen erfundenen Unfall informierten, für den eine hohe Summe Geld schnell gezahlt werden solle.

    Die Polizei rät: Gehen Sie auf keinen Fall auf solche Forderungen ein. Übergeben Sie niemals Geld an Personen, die Sie nicht kennen. Legen Sie einfach auf und rufen Sie die Ihnen bekannte Telefonnummer des Verwandten an. Verständigen Sie sofort über den Notruf „110“ die Polizei. Bitte warnen Sie auch andere Mitbürger vor diesen Betrügern.

    Weitere Informationen auch in russischer Sprache erhalten Sie bei der Polizeilichen Beratungsstelle „Safe & Co.“ in Rheine, ✆ 05971 / 938-5917 und unter http://www.polizei-nrw.de/steinfurt.

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    Neu im Bücherschrank(26): Agatha Christie – Mord im Orient-Express

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    Gestern Abend zeigte die ARD zum 10jährigen Jubiläum eine extralange Folge der Literatursendereihe Druckfrisch, in der die TopTen der meistverkauftesten Romane besprochen wurden. Merkwürdigerweise passte die Aufzählung nicht zu der Liste, die man auf Wikipedia findet. Auch bei Martin Walser ist man journalistisch nicht so genau und verfrachtet Walsers Tod eines Kritikers um zwanzig Jahre ins Jahr 1982 und meint, dies sei das erste Mal, dass Walser vor 1998 mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert wäre. Was mich dann auch überraschte, war, dass Agatha Christies Und dann gabs keine mehr auch unter den TopTen war. Das entspricht zwar dem Grundgedanken der Liste, zeigt aber auch, dass für diese Liste nicht Qualität entscheidend ist.

    Wesentlich geläufiger ist Christies Mord im Orient-Express, das diese Woche den Bücherschrank bereichert. Eine Verfilmung des Krimis kann man sich auch auf YouTube anschauen. Die Auflösung der Geschichte ist zwar etwas merkwürdig, aber es ist wohl wie so oft bei Christie das Ambiente, das die Geschichte ausmacht.

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    Kreis Steinfurt billigt Mastanlage für 240.000 Hähnchen

    Es übersteigt alles bisher im Umkreis Dagewesene: In Neuenkirchen, das an Recke, Mettingen und Westerkappeln grenzt, soll eine Hähnchenmastanlage mit 240.000 Tieren entstehen:

    Nach Auskunft des Landkreises Osnabrück sollen alle Anrainergemeinden noch im Zuge des Verfahrens gehört werden. „Das müssen wir nicht, wir tun das aber“, versichert Sprecher Burkhard Riepenhoff. Andere sogenannte Träger öffentlicher Belange seien bereits gehört worden, darunter auch der Kreis Steinfurt. Der habe mit Schreiben vom 6. Dezember vergangenen Jahres keine Bedenken geäußert, erklärt Riepenhoff.

    Wie wäre es denn mal mit der Berücksichtigung hiervon:

    zurzeit (werden) industrielle Masthähnchenanlagen in einem Umfang geplant, genehmigt und gebaut, der den derzeitigen Nachfragezuwachs um mehr als das Zehnfache übersteigt.

    Mit anderen Worten: So eine Anlage ist völlig überflüssig.

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    Das Elternrecht

    Markus Pieper, EU-Parlamentarier aus dem Münsterland, hat sich als einer der wenigen mal getraut, auf den Punkt zu bringen, wie die konservative Position der CDU zum Elternrecht aussieht:

    Kinder haben gottgegebenes Recht auf Vater und Mutter. Niemand ein Recht auf Kinder.

    Gut, wenn man Gott in Spiel bringt, hat man keine sonderlich große Diskussionsbasis. Versuchen wir es mal mit einem etwas zugänglicheren Mann: Immanuel Kant.

    Bei Kant ist eine Sorgepflicht der Eltern für ihre Kinder dadurch gegeben, dass sie es gewesen sind, die ihre Kinder ohne deren Einwilligung in die Welt gesetzt haben. Damit haben Eltern ein ethisches, wie juridisches Recht zur Erziehung ihrer Kinder, wie die ethische Pflicht (aber nicht eine juridische) hierzu. Kinder sind bei Kant keine Rechtspersonen, daher kommt bei ihm nicht vor, dass diese bestimmte Rechte hätten. Wie sollte ein Kind auch das angebliche Recht auf einen Vater in Anspruch nehmen, wenn dieser gestorben oder unaufindbar ist?

    Sicherlich hat Kant bei Eltern an Vater und Mutter gedacht. Aber die Begründung der Rechte und Pflichten von Eltern liegt nicht in ihren biologischen Attributen:

    da das Erzeugte eine Person ist, und es unmöglich ist, sich von der Erzeugung eines mit Freiheit begabten Wesens durch eine physische Operation einen Begriff zu machen*): so ist es eine in praktischer Hinsicht ganz richtige und auch nothwendige Idee, den Act der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche That auf den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen.

    Wäre es demnach denkbar, dass der Beschluss, ein Kind in die Welt zu setzen, von zwei gleichgeschlechtlichen Menschen aus geht, so wie er von leiblichem Vater und leiblicher Mutter ausgeht?

    Ja. Das ist derselbe Fall wie bei der künstlichen Befruchtung. Auf die Idee, den gesetzlichen Eltern eines so gezeugten Kindes, eheliche Rechte zu entziehen, ist auch noch niemand gekommen.

    Bei Kant ist das Elternrecht ethisch begründet, nicht juridisch, nicht biologisch und nicht religiös. Juridische, biologische und religiöse Umstände mag es geben, sie rütteln aber nicht an der ehtischen Begründung des Elternrechts, weil man es hier mit verantwortlichen Erwachsenen zu tun hat.

    Kant wendet sich implizit gegen Piepers Rede vom Gott gegebenen Elternrecht, weil Kinder Wesen sind, denen es möglich sein wird, freie Entscheidungen zu treffen, wobei es für den Menschen unmöglich zu denken ist, dass die Möglichkeit zu freien Entscheidung auf eine physische Ursache zurückführbar wäre,

    *) Selbst nicht, wie es möglich ist, daß Gott freie Wesen erschaffe; denn da wären, wie es scheint, alle künftige Handlungen derselben, durch jenen ersten Act vorherbestimmt, in der Kette der Naturnothwendigkeit enthalten, mithin nicht frei. Da sie aber (wir Menschen) doch frei sind, beweiset der kategorische Imperativ in moralisch praktischer Absicht, wie durch einen Machtspruch der Vernunft, ohne daß diese doch die Möglichkeit dieses Verhältnisses einer Ursache zur Wirkung in theoretischer begreiflich machen kann, weil beide übersinnlich sind.

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