Mir hat ein mal ein Richter in Ibbenbüren erzählt, er würde die Deutungshoheit, die sein Job mit sich brächte, durchaus nutzen, um etwas zu behaupten, wofür er eigentlich nicht genug überzeugende Gründe hat. Wer würde denn schon einem Richter widersprechen? Etwa so verstehe ich den folgenden Sachverhalt. In der IVZ wird von einer Verurteilung eines Mannes zu einer Geldstrafe berichtet, der im Besitz so genannter kinderpornographischer Dateien war. Die Journalistin hält zudem fest:
Die Staatsanwältin machte darauf aufmerksam, dass Kinder- und Jugendpornografie nur existiere, weil es einen Markt dafür gibt.
Das ist Unsinn. Aber sagen Sie einer Staatsanwältin, dass sie gerade Unsinn redet?
Mit Markt meint man landläufig doch ein wirtschaftliches Tauschsystem von Geld und Waren. Es wurde schon in der Internetsperrendebatte von einem Milliardenmarkt der Kinderpornoindustrie geredet — mit einem Haken: Dieser Markt, bei dem mit ökonomischer Strategie kinderpornographisches Material hergestellt wird, war nirgends zu finden.
Man kann den Begriff Markt auch anders verstehen und nur von einem nichtkommerziellen Tauschsystem sprechen. Dann hätte die Staatsanwältin gesagt, es gebe Kinder- und Jugendpornografie nur, weil es dieses Systen gebe. Aber auch dieser Gedanke ist falsch. Es gibt keinen Nachweis darüber, Kinderpornographie nur wegen einer Nachfrage hergestellt wurde.
Man sollte sich, wenn man sich für diese Angelegenheit interessiert, lieber an einen Experten halten. Der Rechtsanwalt Udo Vetter hat diverse Klienten gehabt, bei denen kinderpornographisches Material gefunden wurde. Er hält fest:
Keiner, ich wiederhole, keiner der in den letzten anderthalb Jahren dazu gekommenen Mandanten hat auch nur einen Cent für das Material bezahlt.
Alle, ich wiederhole, alle haben die Kinderpornos aus Tauschbörsen, Newsgroups, Chaträumen, Gratisbereichen des Usenet oder aus E‑Mail-Verteilern. Manche kriegen es auf DVD, ganz normal mit der Post.
Kein einziger jedoch hat seine Tauschpartner bezahlt. Und diese Tauschpartner haben auch nichts verlangt. Selbstverständlich wertet die Polizei in den allermeisten Fällen auch aus, woher die Dateien kamen. Bezahlseiten sind nicht darunter. Auch verdächtige Überweisungen etc. werden nicht festgestellt.
[…]
Tatsächlich ist auch anhand der im Umlauf befindlichen Dateien unschwer festzustellen, dass es die Kinderpornoindustrie nicht gibt. Es gibt einen Grundbestand an Material, meiner Schätzung nach mindestens 98 %. Hierbei handelt es sich um Bilder und Filme, die schon seit vielen Jahren, ein Großteil davon schon seit Jahrzehnten im Umlauf sind.
Sofern neues Material hinzukommt, sind es Fälle von Missbrauch im privatem Umfeld, der – Fluch der Digitaltechnik – heute halt nun einmal einfacher abzubilden ist. Natürlich gibt es keine näheren Informationen zu den Umständen, wie solche Aufnahmen zustande kommen. Allerdings machen die meisten nicht den Eindruck, als werde ein Kind missbraucht, um einen Film zu drehen. Dass die weitaus meisten Kinderpornos häuslichen, also keinen gewerbsmäßig organisierten Missbrauch wiedergeben, ist auch unschwer daran zu erkennen, dass Opfer und Täter sich in den allermeisten Fällen offensichtlich kennen.
Wer behauptet, Kinderpornographie gebe es nur, weil es einen Markt dafür gibt, verschleiert, dass eben ganz andere Gründe zur Herstellung von Kinderpornographie gewichtiger sind: Prahlerei, Machtausübung, ein Dokumentationsinteresse, die Befriedigung von Sexualtrieben etc.
Und irgendwie legt derjenige auch nahe, dass Kinderpornographie woanders entsteht, als dort, wo sie offensichtlich entsteht: In der Privatsphäre von Kindern, die sich dort bisher sicher wähnten, und mit Personen ihres näheren Umfelds.
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