70 Jahre NRW

Das ein­wohn­er­stärk­ste Bun­des­land Deutsch­lands ist jünger als mein Vater. Das fiel mir als erstes ein, als ich von diesem Jubelt­ag hörte. Anson­sten ist das Bürg­er­fest in Düs­sel­dorf hierzu gän­zlich an mir vor­bei gegan­gen. Und da bin ich fast schon Rhein­län­der: So leicht kriegen sie die Ein­heimis­chen nicht.

Was mir noch ein­fiel war, dass ich Zeit meines Lebens noch nie in einem anderen Bun­des­land gelebt habe. Dafür in allen drei Teilen Nor­drhein-West­falens. Im Grunde halte ich das auch gar nicht für bedeut­sam, aber Grund genug das mal zu beleucht­en: Was hält einen denn hier, was treibt einen nicht weg?

Es ist eine Medaille mit zwei Seit­en: Ein­er­seits und ander­er­seits die Men­tal­ität. Ich mag den Humor, der aus allen Eck­en Nor­drhein-West­falens strömt, auch wenn man ihn manch­mal suchen muss. Der ist direkt, ver­ständlich, wohlwol­lend, nicht fies. Nation­al­is­tis­che Untertöne gibt es, aber nicht unbe­d­ingt in dem Bekan­ntenkreis, den man sich wählt. Und wenn es um das Auf­ste­hen gegen Rechts geht, dann lassen sich Biele­felder, Düs­sel­dor­fer und Mün­ster­an­er nicht lumpen.

Klaus J. Behrendt hat mal über unsere gemein­same Heimat­stadt Ibben­büren gesagt, dass er, wenn er mal wieder dor­thin käme, zu sich sagen würde: 

Ja, hier komm­ste weg.

Vielle­icht ist das etwas, was einen bespringt, wenn man mal ganz das Bun­des­land ver­lässt. Ich für meinen Teil genieße Spatziergänge am Rhein und Fahrad­fahrten an den rheinan­liegen­den Wiesen, in deren Nähe ich ger­ade wohne, als wäre ich dort groß geworden.

Ander­er­seits ist da der Ausspruch Man­ni Breuck­manns, den ich im Ohr habe: 

Düs­sel­dor­fer wirst du nicht.

So richtig dazu gehört man als Zuge­zo­gen­er eben auch nie. Oder man fühlt das nur so. Kann ich mit leben, ich muss meine Iden­tität ja nicht umstrick­en, um mich woan­ders wohl zu fühlen. Ich will auch nicht auf Teufel komm raus dazugehören.

An mein­er Heimat­stadt gefällt mir näm­lich am besten die Lage: Vor Ort hat man gute Einkauf­s­möglichkeit­en und auch etwas kul­turelles Leben. Will man es gerne spießiger: Mün­ster ist um die Ecke. Will man es etwas erdi­ger: Osnabrück einen Katzen­sprung ent­fer­nt. Und rauben einem die Ein­heimis­chen wieder den let­zten Nerv, fährt man fix über die Gren­ze, set­zt sich in ein Café in Enschede und lästert ordentlich ab über die Genossen jen­seits der Grenze.

Und ja, das kön­nen sie eben auch die Nor­drhein-West­falen: Ner­ven, nörgeln, schwarz­malen. Let­ztens im Zug hörte ich einen Mit­fahren­den sagen:

So sind die Deutschen: Haben Angst vor Über­frem­dung und ken­nen ihren Nach­barn zwei Häuser weit­er nicht.

Man darf das Gejam­mer nicht zu ernst nehmen und wis­sen, wann man die Reißleine zieht. Dann kommt man in diesem zusam­mengewür­fel­ten Bun­des­land bestens klar. Ander­er­seits stößt man in NRW auch immer wieder auf jeman­den, der ein großes Wort offen und gelassen ausspricht. Und das ist dan richtig zum Wohlfühlen. | csn

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