Zeit statt Leistung

Die Geschäftsführung der IVZ hat in der Samstagsausgabe auf Leserbriefe (s. Ernst Goldbeck) geantwortet, die sich mit der Erhöhung des IVZ-Abonnements wegen des Mindestlohns für Zeitungsboten beschäftigten. Man sehe sich in einem Dilemma, denn eigentlich wollte man sie wohl lieber nicht abdrucken, weil *husthuströchel*, doch das wäre gleichbedeutend damit,

der freien Meinung in eigener Sache das Wort zu entziehen.

Welch heroischer Akt. Ich hätte ja jetzt gedacht, dass Dilemma bestünde darin, auf die diskreditierende Argumentation bezüglich des Mindestlohns für Zeitungsboten und der betroffenen Arbeitnehmer noch einen drauf zu setzen, aber sowas schafft man bei der Geschäftsführung der IVZ spielend.

Die Quint-Essenz des Mindestlohns für Zeitungsboten bedeute wegen der Bezahlung nach Arbeitsstunden und nicht mehr nach Anzahl ausgetragener Zeitungen:

Der Faktor „Zeit“ ersetzt den Faktor „Leistung“.

Wie kommt man nur auf so einen Stuss? Der Faktor Zeit ersetzt mitnichten den Faktor Leistung, denn das würde bedeuten, dass die Zeitungsboten keine Leistung mehr erbrächten. Der Mindestlohn setzt ein Stöckchenhochhalten einen Leistungsanreiz außer Kraft, durch den Leute, die bisher weniger als 8,50€ in der Stunde verdienten, noch mehr Stunden für wenig Geld arbeiteten bis sie auf einen Betrag kamen, der sie einigermaßen zufrieden stellt. Und das waren gemäß der IVZ-Darstellung Leute, die aus Spaß an der Freude nachts 4 Stunden Zeitungen ausgetragen haben, nicht weil sie das Geld dringend benötigen. Was arbeiten eigentlich die, die Geld dringend benötigen?

Dabei ist dieser Leistungsanreiz gar nicht gänzlich weg. Man müsste nur Zeitungsboten das Angebot machen, mehr als den Mindestlohn verdienen zu können. Was für eine absurde Vorstellung. Andererseits: Erhöht wird der Lohn von 8,50€ eh irgendwann.

Der IVZ jetzt aber zu unterstellen,

die tägliche Leistung unserer eigenen Zeitungsboten nicht wertzuschätzen, ist abwegig.

Man drückt das eben nur nicht über die Bezahlung aus.

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Frank Cordes – Lebenslänglich du

Frank Cordes - Lebenslänglich DuDie zweite aktuelle CD eines Ibbenbürener Musik-Acts ist das Debut-Album von Frank Cordes. Das klingt etwas komisch, denn ich habe mir seine erste Single Ende der 90er mal gekauft, aber sei’s drum.

Und etwas muss man Schlager heute auch gleich zu Beginn rechtfertigen: Dass die Texte nicht sonderlich anspruchsvoll sind, musikalisch seicht, ironiefrei und poetisch nicht so umwerfend gehört zum Genre. Wer deswegen der Gattung gleich den Rücken zudreht, hat mein Verständnis. Die Zielgruppe ist halt eher so die WDR4-Hörerschaft. Andererseits hat Helene Fischer derzeit auch ein großes nicht überaltes Publikum gefunden, so ganz liegt das Befürworten des Genres dann wohl nicht an unterirdischen Texten.

Zu Frank Cordes selbst sei noch gesagt, dass er einer der nettesten Tischtennisfamilien des Tecklenburger Landes entstammt, die ich kenne, und daher würde ich sagen, dass er durchaus hinter seinen Texten steht, ohne verlogen zu sein. Das zieht also auch nicht.

Wenn man die zwei Sachen einräumt, kann man der Musik ganz gut begegnen, und Discofox tanzen kann man zu ihr eben auch. Also ran an den Speck:

01. Zum ersten Mal Eingängige, unbeschwerte Popnummer aus dem letzten Jahr. Stimmlich passt der Song und überkandidelt ist er auch nicht so. Guter Aufmacher für das Album.
02. Lebenslänglich du Zu Beginn kündigt sich mal ein etwas schlageruntypischer Song an, was aber durch den Refrain wettgemacht wird. Etwas mehr Mut hätte hier Wunder getan. Überzeugt mich so gar nicht.
03. Du und ich und er und sie Der Aufmacher zum Album ist ein gewagter Mix aus Schlager und aktueller Lebenssituation. Der Refrain ist mit dem Reim „das ganz große Glück“ auf „der Himmel hat euch zu mir geschickt“ nahe am Ausrutschen. Dafür sind die Kiddies im Video ganz putzig.
04. Es ist wieder Sommer Federleichtes Sommerlied ohne Ecken und Kanten im negativen wie im positiven Sinne. Passt Frank Cordes wie ein guter Anzug.
05. Freier Fall Gute Mischung aus Schlager- und Pop-Song ohne textliche Überkandeldierung.
06. Der Morgen mit dir Ziemlich typische Schlagernummer, zu der die Stimme von Frank Cordes, die hier mal die ganz hohen Töne ausspart, ziemlich gut passt.
07. Bis zum Ende der Zeit Guter Popsong an der Grenze zu Singer-Songwriter-Nummern.
08. Durch die Hölle Jetzt gehen wir in Richtung Wolfgang Petry: Gute Popnummer mit gutem Refrain.
09. Weil dein Herz die Wahrheit kennt Seichte, typische Schlagernummer.
10. Patchwork Family (Familie von Null auf Hundert) Wir sind wieder beim Patchwork-Familie-Thema von Lied Nr. 2. Textlich ist das Lied unfallfreier und ebenso realitätsnah.
11. Mein Leben für dich Nette, unaufgeregte Disco-Nummer.
12. Hier ist immer irgendwas los Tja, immer was los in so einer Patchworkfamilie, was? Das Thema ist jetzt auch so langsam durch.
13. Träume haben Flügel Oh, sehr schöne, hymnische Popnummer mit Dudelsack. Passt wunderbar zum Sänger, der wieder am besten klingt, wenn er nicht die ganz hohen Töne anstrebt. Sehr passende Abschlussnummer.
14. You want love Ja, irgendwas war da doch letztes Jahr mit den Drafi-Deutscher-Covern, die Frank Cordes machen wollte. Dieses erste Lied von den Mixed Emotions steht dem Original in Nichts nach.

Fazit: Ich habe mir Schlimmeres unter einem Schlager-Album vorgestellt, gerade was ausgelutschte Reime angeht. Frank Cordes gelingt eine ausgewogene Mischung aus Schlager und Pop-Songs mit wenigen Ausreißern nach unten und ebenso vielen Außreißen nach oben, die aus dem aktuell typischen Schlagertamtam erfrischend gut ausbrechen. Er verkauft seine Zielgruppe nicht für blöd, das rechne ich hoch an. Eine klare Kaufempfehlung für Leute, die WDR4 hören würden und eine Reinhörempfehlung für alle, die deutscher Popmusik eine Chance geben. Nichts für jeden, aber für Einige sehr.

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