Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und die Folgen

Ab heute gilt das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Und die Medien, die sich für das Tecklenburger Land zuständig fühlen, halten sich hierzu bedeckt, mit anderen Worten: Sie schreiben überhaupt nicht darüber. Das könnte damit zusammenhängen, dass Google vor Kurzem angekündigt hat, alle Verlage aus ihrem Suchindex für Google News rauszuschmeißen, die nicht einräumen, dass die Anzeige der so darstellbaren Artikel genehmigt ist.

Dabei hatte Chefredakteur Norbert Tiemann bei der WN noch getönt, als es Rückenwind gab:

In einer gigantischen Werbekampagne, unterstützt von Lehrstühlen, hat sich der weitgehend intransparente Konzern, der in Deutschland kaum Steuern zahlt, die Maske eines Hüters des freien Internet aufgesetzt – und sein knallhartes Profitinteresse geschickt dahinter verschleiert. Offenbar mit Erfolg.

Laut Tiemann ist Google ein Konzern, der

mit der Ware anderer, nämlich den Inhalten von Verlagen, auch zukünftig weiter Milliarden-Geschäfte macht, ohne die Erbringer dieser Leistung daran fair finanziell zu beteiligen.

Gut gebrüllt, Löwe. Da würde man doch meinen, dass man bei den Westfälischen Nachrichten diesen parasitären Konzern nicht unterstützt. Nun hat Google angekündigt, nur noch solche Zeitungen unter Google News erscheinen zu lassen, die ein solches Erscheinen vor dem 1. August beantragt haben. Ich gehe mal davon aus, dass ab heute auch der Fall ist, dass Google News nur solche Zeitungen darstellt, die darum gebeten haben. Und nun raten Sie mal, wer dabei ist. Abgesprungen als Tiger, äh, Löwe, egal – und gelandet als Bettvorleger.

Ausbleibendes

Wie WN und IVZ auf das Leistungsschutzrecht reagieren, was man beim Zitieren ihrer Produkte beachten sollte, dass der Axel-Springer-Verlag beim Leistungsschutzrecht, das er selbst maßgeblich erlobbyt hat, ausschert – dazu bisher kein Sterbenswörtchen. Nur irgendwelche dpa-Texte. Es ist wohl nicht zu erwarten, dass beide Zeitungen das Leistungsschutzrecht irgendwie in Anspruch nehmen werden.

Das Leistungsschutzrecht bringt somit nicht die erwartete finanzielle Vergütung für Presseverlage mit sich, sondern nur, dass Presseprodukte weniger online verlinkt werden. Insofern meinen manche, das Gesetz würde schlicht verpuffen.

Individuelle Folgen

Was dieses Leistungsschutzrecht nun für individuelle Benutzer bedeutet, ist schwer abzuschätzen. Gewerbliche Anbieter sollten fortan keine Artikel von Zeitungen mehr bei Facebook und sonstwo mit sogenannten Snippets verlinken. Das entsprechende Gesetz ist allerdings auch so schwammig formuliert, das ganz unklar ist, ob schon das Wiedergeben einer Überschrift eines Artikels eines Presseverlages – und in vielen URLs der Artikel findet sich schon die Überschrift – gegen dieses Leistungsschutzrecht verstößt.

Zudem kann ja immer geklagt werden, z.B. auch gegen sich für nichtkommerziell auftretend haltende Privatpersonen, deren Internetauftritt – wo auch immer – gewerblich erscheint. Möglicherweise können Presseverlage auch Interessensvertreter einsetzen, die sich im Internet auf die Suche nach unlizensiert gebrauchten Snippets in gewerblichem Anschein machen.

Das klingt vielleicht etwas unwahrscheinlich, aber ich hätte auch nie gedacht, dass irgendeinem Anwalt mal einfällt, für irgendwann einmal getätigte Blogbeiträge eine Tagesnutzungsgebühr auszurechnen.

Auf der sicheren Seite ist man, wenn man gar nichts mehr verlinkt oder gefälltmirt. Zumindest darf man sich zweimal fragen, ob man auf Zeitungsseiten nicht auf Facebooks Gefällt-mir-Klicks verzichtet. Das eigene Facebook-Profil vor Blicken Fremder, wenn’s nicht gerade die NSA ist, zu schützen, hilft auch schon weiter.

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Was der Kernkritikpunkt an Norbert Lammerts Dissertation ist

Es war abzusehen, dass auch bei den Plagiatsvorwürfen gegen die Doktorarbeit von Bundestagspräsident Norbert Lammert irgendwann Nebelkerzen geworden werden. Es ist bezeichnend, dass sich der sich selbst Qualitätsjournalismus dafür hergibt.

Das Schwierige an der Verteidigung der Promotion gegen die Vorwürfe sind diese selbst. Wie lauten sie? Im Kern: Lammert gibt fremde Rezeptionsleistungen, d.h. die Wiedergaben gelesener Literatur, als eigene aus. Kann das nachgewiesen werden, sehe ich nicht, wie eine derartige Promition gehalten werden kann.

Nun hat Norbert Lammert gemäß den Vorwürfen keine wortwörtlichen Plagiate begangen [Korrektur, 14.00 Uhr: Auch das wird ihm vorgeworden, s. S. 100 der Dissertation]. Auch das Auftauchen nahezu identischer Verweise allein ist kein Plagiat. Die Vorwürfe konzentrieren sich aber spezieller darauf, dass an vielen Stellen mit anderen Arbeiten inhaltsgleiche Analysen angestellt werden, bei denen inhaltsgleiche und fehlergleiche Fußnoten nahelegen, dass die dortigen Angaben und Analysen ungeprüft und ohne wissenschaftliche Eigenleistung übernommen wurden.

Es geht nicht um in den 70er Jahren unterschiedliche Zitiergepflogenheiten oder unzureichende Einzelfußnotenkennzeichnungen, wie die ZEIT seinen Lesern weißmachen will.

Auch bei der FAZ klingt der Nebelkerzenartikel zu Lammert merkwürdig:

Wenig spricht dafür, dass es sich bei Lammerts Doktorarbeit um Plagiate handelt.

Es reicht ja, wenn irgendetwas stichhaltig dafür spricht. Aber es wird noch skuriler:

Wenn es nach dem derzeitigen Kenntnisstand einen kritischen Einwand gegen diese Dissertation vorzubringen gäbe, dann wäre es die Fallstudie am eigenen CDU-Kreisverband, über dessen Entscheidungsprozesse der Autor nicht nur mehr wusste als andere, sondern an dessen Entscheidungen er auch selbst beteiligt war.

Und was ist mit dem Kernvorwurf, den die Autorin des Artikels nicht einmal thematisiert? Ist der überhaupt zur Kenntnis genommen worden?

Den Vogel schießt allerdings Dagobert Ernst bei der WAZ ab, der den Lammert-Kritiker einfach mal mit dem NSA-Skandal gleichsetzt, und so einen Tätertausch herbeizaubert:

Auch Plagiate-Jagd kann zu einer Form der Bespitzelung werden. Nur dass „Big Brother“ hier in jedem steckt, der dabei mitmischt.

Bedenkenswert, auch wenn der Zusammenhang zur Diskussion um Norbert Lammerts Dissertation nicht klar ist, ist, was Joachim Huber schreibt:

irgendwann hat es der Doktorenstand geschafft, den Nicht- Doktoren einzureden, dass der Herr Doktor und die Frau Doktorin etwas Besseres sind. Feingeister, Feinzüngler, feine Menschen halt. Politiker und Doktor, diese Kombination galt bald als unschlagbar. Deswegen diese tiefe Sehnsucht in den Reihen der Konservativen und der Liberalen nach dem „Dr.“ auf dem Wahlplakat.

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