Wolfgang Bergmann – Lasst eure Kinder in Ruhe. Gegen den Förderwahn

Wer immer ger­ade Eltern wird, der ken­nt das Prob­lem, dass man unver­hofft auf das ange­bliche Prob­lem gestoßen wird, dass der eigene Nach­wuchs etwas nicht so schnell kann wie andere Kinder. Und für so ein Prob­lem gibt es diverse Rat­ge­ber und Hil­fe­grup­pen, in denen die Kleinen vor Her­aus­forderun­gen gestellt wer­den, bei denen sowohl das Ziel als auch der Erfolg unklar ist. Wolf­gang Bergmann stellt in seinem witzi­gen, aber auch nach­den­klichem Paphlet genau diesen Opti­mierungswillen in Frage.

Dazu passend: Deine Fre­unde — Klein sein

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Thorsten Nagelschmidt — Der Abfall der Liebe

Der Muff-Pot­ter-Front­mann Thorsten Nagelschmidt erin­nert sich halb­bi­ographisch als Schrift­steller an den Som­mer 1999 in Rheine, als er ein eher ambi­tion­slos­es Mit­glied ein­er Band ein­er west­fälis­chen Kle­in­stadt war. Er schildert ein soziales Umfeld, das ohne eigene Vision herumpröd­delt und in den Tag lebt, beschreibt Auftritte mit der Band (u.a. in der Ibben­büren­er Sche­une), die Schwierigkeit des Abschieds von der Fre­undin, die ihn ver­lässt. Mit 30 kommt der Bruch und ihn zieht es nach Berlin, wo er ver­traut mit der Stadt und sein­er Umge­bung, aber nicht heimisch wird und mit 39 immer noch nichts in die Rentenkasse gezahlt hat.

Mitunter erzählt Nagelschmidt die Zeit lahm, ober­fläch­lich sowie ziem­lich wit­z­los und keine der beschriebe­nen Per­so­n­en kommt dem Leser nahe. Er ist aber mitreißend scho­nungs­los, wenn er Wegge­fährten zu einem mis­s­rate­nen Auftritt sein­er Band sprechen lässt und was die ersten Zeichen des Alterns ange­ht, als der Friseur ihm die Augen­brauen rasiert. Das alles ergibt einen authen­tis­chen und wohl bish­er einzi­gar­ti­gen Blick auf eine Szene in Rheine vor bald 20 Jahren, die auch schon wieder unterge­gan­gen ist.

Auf Lese­tour ist er u.a. am 29.09.2018 in der Stadthalle in Rheine und am 11.11.2018 im Haus der Jugend in Osnabrück.

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Detlef Krischak — Falsche Brut

Der zweite Teil der Ibben­büren­er Krim­irei­he kommt erwartungs­gemäß stim­mig daher: Die alt­bekan­nten Fig­uren haben es dieses Mal mit Mord und Ent­führung im Zuge famil­iär­er Ver­w­er­fun­gen zu tun. Die örtlichen Beschrei­bun­gen sind gut, die Dialoge weniger: Wenn Krim­i­nal­beamte und Befragte sich unter­hal­ten, dann kommt viel zu schnell und seit­ens Verdächtiger kom­plett unnötig das her­aus, was zu erfra­gen war. Span­nung kommt lei­der keine auf, dafür wird es ganz lustig, wenn ein Unternehmer namens Engel über seinen Keller befragt wird, und im fol­gen­den vom Autor nur noch Keller genan­nt wird. Das kön­nte man mal in Gänze roma­nar­tig ver­wursten, ist hier aber nur ein Fehler.

Alles in allem eine kurzweilige Lek­türe, die nicht ent­täuscht, aber auch nicht fes­selt oder überrascht.

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Jürgen Flenker – Das Rattenorakel

Falls jemand noch ein Büch­lein sucht, das er unter den Wei­h­nachts­baum leg­en möchte, herge­hört: Dieser kleine Schmök­er zählt zumin­d­est sprach­lich zum Besten, was das mün­ster­ländis­che Kri­mi-Genre zu bieten hat. Das kommt dann vor allem den Fig­uren zu Gute, die der Sprakel­er Autor in sein­er Geschichte zu bieten hat: Kom­mis­sar Rico Wende, der vom Leben etwas gebeutelt, solo und seine Mut­ter im Auge habend, eine Serie ver­mis­ster Kinder aufzus­püren hat. Ja, ein Rat­ten­fänger wie der aus Hameln ist im Mün­ster­land unter­wegs, eine Idee, die blöde klingt und blöde ist. Das ist dann auch der Haupt­makel dieses Schmök­ers: Span­nung kommt nicht auf; dass aus der Täter­sicht erzählt wird — ein alter Region­alkrim­i­hut; das Motiv des Täters — gän­zlich unerk­lär­lich; die Auflö­sung — schnell vergessen. Und den­noch: Für Inter­essierte an Region­al­lit­er­atur eine unter­halt­same Lektüre.

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Jürgen Kehrer — Bären und Bullen

Ich hat­te mich vor Kurzem gewun­dert, dass ich doch schon seit län­gerem keinen Wils­berg-Kri­mi mehr zur Hand genom­men habe. Aber bei diesem Bänd­chen ist es mir wieder deut­lich vor Augen geführt wor­den: Die Buch­serie ist lang­weilig, span­nungsarm, die Krim­i­au­flö­sung kommt aus dem Nichts und anges­taubt ist die Buzz­word gespick­te Börsen­geschichte aus den 90ern auch.

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Detlef Krischak — Brautmorde

In Erwartung des näch­sten Ibben­büren-Krim­is habe ich mal den ersten Ems­land-Kri­mi des­sel­ben Autors vorgenom­men. Aber ach: Bei dieser Braut­mor­den­show ist alles Schema F, keine Span­nung, keine inter­es­san­ten Wen­dun­gen, die Auflö­sung in wie gehabter Selb­st­ge­sprächs­man­ier, die dahin­ter­liegen­den Beweg­gründe so unl­o­gisch wie unin­ter­es­sant. Weit­er­warten ist angesagt.

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Asher, Jay — Tote Mädchen lügen nicht

Im Zuge der Ver­fil­mung dieses Buch­es gibt es in Deutsch­land aktuell eine Neuau­flage dieser 10 Jahre alten Geschichte. Sie han­delt von Han­nah Bak­ers Lebens­geschichte. Sie ist eine Her­anwach­sende, die unter Demü­ti­gun­gen ihrer Umwelt lei­det und meint, keine Fre­und­schaften zu haben. Völ­lig verzweifelt wen­det sie sich an Ver­trauensper­so­n­en, ohne sich zu öff­nen, und wählt schließlich den Fre­itod. Wie es dazu kam, erzählt sie auf 7 Kas­set­ten, die sich an die Leute richt­en, die ihrer Mei­n­ung nach wesentlichen Anteil an ihrem Leben hatten.

Selb­st­mord ist ger­ade bei Jugendlichen ein schwieriges The­ma, weil es möglicher­weise den Selb­st­mord als gute Möglichkeit, einen Ausweg für Prob­leme zu find­en, erscheinen lässt. Insofern sollte man mit Jugendlichen im Gespräch bleiben, die sich the­ma­tisch hier­mit beschäfti­gen. Dieses Buch macht aber sehr gut die Bedrück­un­gen klar, unter denen Her­anwach­sende heutzu­tage leiden.

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Carolin Emcke — Gegen den Hass

Car­olin Emcke befasst sich in ihrem aktuellen Buch mit den aufkeimenden und gediehenen nation­al­is­tis­chen Posi­tio­nen in Deutsch­land und darüber hin­aus, wobei sie einen Akzent set­zen möchte für die Vertei­di­gung von Min­der­heit­en im Lichte des Pop­ulis­mus dieser Zeit. Sie bril­liert an den Stellen, an denen sie Posi­tio­nen als diskri­m­inierend und polemisierend demask­iert, indem sie die Posi­tion unaufgeregt entschlüsselt.

Weniger überzeu­gend ist Emcke allerd­ings in ihrer Einord­nung von Posi­tio­nen in einen his­torischen oder wis­senschaftlichen Kon­text. So bes­timmt sie die “Parteilichkeit der Ver­standeswaage” aus ein­er Textstelle aus Kants “Träume eines Geis­terse­hers”, d.i. ein Text vor dessen so genan­nter kri­tis­chen Phase, als “Vor­ein­genom­men­heit durch die Hoff­nung”, wobei es an der betr­e­f­fend­en Stelle im Kan­tis­chen Text über­haupt nicht um Hoff­nung geht. Um Hoff­nung geht es bei Kant in der Reli­gion­sphiloso­phie. So ein Name­drop­ping ist so wenig überzeu­gend wie beeindruckend.

Und auch wenn andere Stellen in ihrer gewoll­ten Belehrung eher ner­ven als ein­nehmen, ist das Buch wegen der Analy­se­fährigkeit der Autorin empfehlenswert.

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Das Buch gibt es derzeit in ein­er Son­der­aus­gabe bei der Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung für 4,50€.

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Semiya Şimşek, Peter Schwarz — Schmerzliche Heimat

Die Mord­serie der recht­sex­tremen ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund gehört zu den schlimm­sten Ver­brechen der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land. Dieses Buch bein­hal­tet Semi­ya Şimşeks Beschrei­bung des Lebens und der Ermor­dung durch die NSU ihres Vaters, Enver Şimşek, den Fol­gen für ihre Fam­i­lie und erbärm­liche Rolle, die der deutsche Staat bei der Aufar­beitung gespielt hat und immer noch spielt.

Wir schreiben das Jahr 2017, der Mord an Enver Şimşek liegt 16 Jahre zurück, und der Prozess gegen das let­zte Mit­glied der für die dazuge­hörende Mord­serie ver­ant­wortliche Gruppe, geht dem Ende ent­ge­gen. Und den­noch ist es erschreck­end, wie viele wichtige Fra­gen hierzu offen sind und vielle­icht bleiben.

Dieses Buch ver­schafft einen Ein­blick in die Sit­u­a­tion, wie sie sich für beteiligte Fam­i­lien­ange­hörige, darstellt. Es ver­liert sich nicht in kitschi­gen oder anders sach­frem­den Beschrei­bun­gen, son­dern fokussiert sich auf die Tat und ihre Nach­wirkun­gen. Abgeschlossen wird es von ein­er juris­tis­chen Ein­schätzung der Angele­gen­heit durch die Anwälte von Semi­ya Şimşek, die aus ihrer Sicht noch mal klar machen, um was für einen poli­tis­chen Skan­dal es hier eigentlich geht. Das es bei der ganzen Sache noch keinen einzi­gen Rück­tritt eines zuständi­gen Beamten gegeben hat, ist nicht min­der ver­wun­der­lich, eher aussagekräftig.

Ein Plä­doy­er für Gerechtigkeit und dafür, in der Katas­tro­phe Stärke zeigen zu können.

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Detlef Krischak — Der Rosenfälscher: Das zweite ich

Ich habe schon etwas länger keinen Lokalkri­mi mehr in die Hand genom­men, da ich, ehrlich gesagt, die Qual­ität nicht mehr abkon­nte: Zu viele schlecht geschriebene Pas­sagen, irrwitzige Hand­lungsver­läufe, keine Span­nung, kein Lokalkolorit, das will man nicht immer und immer wieder lesen. Aus welchem Grund ich diesen Schmök­er danach den­noch wieder in die Hand genom­men habe, weiß ich gar nicht mehr.

Um so freudi­ger ist dieser Ibben­büren-Kri­mi: Viele Fig­uren, die charak­ter­lich ver­schieden einge­führt wer­den, eine drama­tis­che Hand­lung und das alles verziert mit Streifzü­gen durchs Ems- und Teck­len­burg­er Land. Es geht um Ent­führung, Mord und kranke See­len, um den Polizeiall­t­ag, bei dessen Beschrei­bung Klaus Burandt zur Seite stand, und schod­derige Prov­inz­nasen. Die Sprache ist passend und ohne Bruch (zwei Rechtschreibfehler fall­en nicht ins Gewicht). Ein Krim­i­nalschmök­er, der ver­film­bar ist (wie großar­tig wäre das denn) und es lock­er mit Unter Fein­den aufnehmen kann.

Die psy­chol­o­gis­che Sit­u­a­tion des Täters (er hat doch seine Jugend­liebe bekom­men) wird mir inhaltlich nicht recht klar, die Span­nung wird nicht durch­weg gehal­ten, wieso die Ver­fol­gungs­jagd unbe­d­ingt in die Ibben­büren­er Innen­stadt führt: keine Ahnung; dass der Ibben­büren­er Kom­mis­sar Carsten heißt: Großar­tige Idee. 

Falls also noch jemand kurzfristig ein Geschenk zu Wei­h­nacht­en sucht: Für Krim­i­leser ist dies eine echte Empfehlung.

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