Detlef Krischak — Der Rosenfälscher: Das zweite ich

Ich habe schon etwas länger keinen Lokalkri­mi mehr in die Hand genom­men, da ich, ehrlich gesagt, die Qual­ität nicht mehr abkon­nte: Zu viele schlecht geschriebene Pas­sagen, irrwitzige Hand­lungsver­läufe, keine Span­nung, kein Lokalkolorit, das will man nicht immer und immer wieder lesen. Aus welchem Grund ich diesen Schmök­er danach den­noch wieder in die Hand genom­men habe, weiß ich gar nicht mehr.

Um so freudi­ger ist dieser Ibben­büren-Kri­mi: Viele Fig­uren, die charak­ter­lich ver­schieden einge­führt wer­den, eine drama­tis­che Hand­lung und das alles verziert mit Streifzü­gen durchs Ems- und Teck­len­burg­er Land. Es geht um Ent­führung, Mord und kranke See­len, um den Polizeiall­t­ag, bei dessen Beschrei­bung Klaus Burandt zur Seite stand, und schod­derige Prov­inz­nasen. Die Sprache ist passend und ohne Bruch (zwei Rechtschreibfehler fall­en nicht ins Gewicht). Ein Krim­i­nalschmök­er, der ver­film­bar ist (wie großar­tig wäre das denn) und es lock­er mit Unter Fein­den aufnehmen kann.

Die psy­chol­o­gis­che Sit­u­a­tion des Täters (er hat doch seine Jugend­liebe bekom­men) wird mir inhaltlich nicht recht klar, die Span­nung wird nicht durch­weg gehal­ten, wieso die Ver­fol­gungs­jagd unbe­d­ingt in die Ibben­büren­er Innen­stadt führt: keine Ahnung; dass der Ibben­büren­er Kom­mis­sar Carsten heißt: Großar­tige Idee. 

Falls also noch jemand kurzfristig ein Geschenk zu Wei­h­nacht­en sucht: Für Krim­i­leser ist dies eine echte Empfehlung.

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Jürgen Kehrer — Schuß und Gegenschuß

wilsbergschuss Ein abge­sack­ter Wils­berg hat mit dem niederen Film­busi­ness zu tun und trifft auf abge­halfterte Mitar­beit­er des Gen­res. Span­nung bleibt aus, Über­raschungsef­fek­te sind nicht vorhan­den, Lokalkolorit und Fig­uren­ze­ich­nung mäßig, aber vor allem sprach­lich ist dieser Teil der Krim­irei­he einschläfernd.

Der Autor macht nicht den Ein­druck, als könne er der Fig­ur Wils­berg noch irgendwelche inter­es­san­ten Aspek­te abgewin­nen, die Serie hätte hier enden kön­nen — geht aber noch 12 Teile weiter.

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Kathryn Taylor: Colors of love (Bd. 1–5)

Cover So weit mir bekan­nt ist, ist Kathryn Tay­lor von den vor Ort wohnen­den Schrift­stellern die Einzige, die es mal in die Spiegel-Best­sellerliste geschafft hat. Das darf mal genug Grund sein, sich mal ihre Schmök­er vorzunehmen. Allerd­ings wäre mir wohl auch ein ander­er nicht eingefallen.

Die 22-jährige, sex­uell uner­fahrene Grace, eine Brid­get-Jones-Vari­ante, him­melt den hochwohlge­bore­nen Jonathan, einen Mr-Sheffield-Abklatsch, an und ver­wan­delt sich von der naiv­en Jungfrau zum naiv­en Flittchen, das sich fragt, ob er es wohl ernst meint. Kostprobe?

Im näch­sten Moment spüre ich die Fahrstuhlwand im Rück­en, und seine Hände leg­en sich um meine Brüste, stre­ichen durch den dün­nen Stoff meines Shirts über die aufgerichteten Nip­pel. Die Berührung schickt Blitze in meinen Unter­leib, viel inten­siv­er als die in meinem Traum, und ich werde von ein­er Welle viel zu gewaltiger Empfind­un­gen über­rollt, während ich seinen Kuss weit­er fast verzweifelt erwidere. Er ist mir über­legen, in jed­er Hin­sicht, dominiert mich, aber genau das erregt mich auf eine nie gekan­nte Weise. Wie eine Ertrink­ende halte ich mich an ihm fest und ergebe mich dem Ansturm sein­er Lip­pen und Hände.

Das geht dann vier weit­ere Bände so “prick­el­nd” weit­er. Ein auf der Shades-of-Grey-Welle schwim­mender Haus­frauen­porno für Vertreterin­nen des weib­lichen Geschlechts, an denen die Emanzi­pa­tion fol­gen­los vor­bei gegan­gen ist.

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Jürgen Kehrer — Lambertussingen

lambertuskehrer Dies ist der zweite Teil der Bas­t­ian-Matt-Rei­he vom Wils­berg-Erfind­er, die etwas im Mün­ster­an­er Umfeld spie­len soll: Ein Frauen­mörder zieht mit seinem Camp­ing­wa­gen durchs Mün­ster­land und ori­en­tiert sich beim Töten am Lied des Lambertussingens. 

Kehrer legt in diesem Fall Wert auf die kor­rek­te Beschrei­bung von Polizeiar­beit und Täterpsy­cholo­gie. Lei­der geht dies stark zu Las­ten der eigentlichen Geschichte, denn die ist abge­lutscht, unspan­nend, wit­z­los und vorherse­hbar. Und wenn Kehrer der asi­atis­chen Gerichtsmedi­ziner­in andichtet, dass sie dauernd deutsche Sprich­wörter anwen­det und dies kon­se­quent falsch, dann nervt das irgend­wann nur noch. Lokalkolorit besitzt das Buch keinen, die Fig­uren­ze­ich­nung ist sub­stan­z­los, es ist bei aller Span­nungslosigkeit nicht schlecht geschrieben, hier­bei auch bess­er als der Rest der Mün­ster­land­krim­is, aber ohne recht­en Pfiff.

Eine Leseempfehlung für alle, die bei dieser Serie am Ball bleiben wollen, und für Krim­i­leser, die auf Ner­venkitzel verzicht­en möchten.

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Jürgen Kehrer: Kein Fall für Wilsberg

Weit­er­er Schritt in meinem Vorhaben, ein­mal die Wils­berg-Romane durchzule­sen: Der vierte Schmök­er der Rei­he . Ein Indus­trieller eines Vororts von Mün­ster wird ermordet aufge­fun­den. Seine Fir­ma ist in Waf­fen­liefer­un­gen ver­strickt und er hat ein per­sön­lich­es Geheim­nis. Sämtliche Fig­uren bis auf Wils­berg bleiben far­b­los, der Fall haut einen nicht vom Hock­er, Lokalkolorit ist auch kaum gegeben, einzig die Mord­meth­ode bleibt vielle­icht etwas im Hin­terkopf. Anson­sten geht sich dieser Text im Rausch alltäglich­er Infor­ma­tio­nen ziel­sich­er unter.

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Daniel Wichmann: Ella — Die abgestumpften Leiden des jungen W.

wichmannella Daniel Wich­mann hat ein auto­bi­ographisch anmu­ten­des Buch über einen Daniel Wich­mann geschrieben, der aus Ibben­büren stammt und sein Leben in Berlin durch Anschaf­fung eines Hun­des ver­sucht zu ändern. 

Jen­er Daniel Wich­mann lebt mit sein­er Fre­undin in der Bun­de­shaupt­stadt und ger­ade scheint er defin­i­tiv ins Erwach­se­nen­leben hineinzuschlid­dern: Seine Fre­undin ist auf dem Weg in eine weg­weisende beru­fliche Posi­tion, er schließt sein Studi­um ab und gelangt an seinen ersten Job, und in der Beziehung bah­nt sich an, dass klar wer­den soll, wohin die Reise geht. Allerd­ings kriselt es, die Fre­undin ver­misst am Ver­hal­ten ihres Fre­un­des etwas, er beschließt einen Hund zu kaufen, um zu zeigen, dass er bere­it ist, für die Beziehung etwas zu riskieren — denn er lei­det unter ein­er Angst vor Hun­den. Da bricht das Unheil auf ihn ein: Seine Fre­undin zieht es beru­flich nach Ham­burg, sein Job nimmt ihm die Zeit, sich passend um den Hund zu küm­mern. Er nimmt unangemeldet einen trink­freudi­gen und auch son­st chao­tis­chen Unter­mi­eter auf und ver­liert wegen Hund und Unter­mi­eter Job und Woh­nung. Für unseren Dandy ist dies allerd­ings ein Schritt in die richtige Rich­tung, denn erfind­et ein miet­bares Haus in der Umge­bung Berlins, in das er samt Fre­undin, die es in Ham­burg alleine nicht aushält, und Hund einzuziehen gedenkt.

Die Span­nung des Buch­es speist sich natür­lich etwas aus der Frage, inwieweit Wich­mann hier auto­bi­ographisch vorge­ht und was erfun­den ist. Zumin­d­est — und das ist die große Stärke des Buch­es — betreibt er keine Schön­fär­berei. Seine Haupt­fig­ur ist ein ziem­lich­er Kauz, fast apathisch im Umgang mit sein­er Umwelt. In den eige­nen vier Wän­den fährt er schon mal aus der Haut, während er außer­halb den Schwanz einzieht. Sein­er Fre­undin kauft er einen Hund, um die Beziehung zu ret­ten, was ein doch sehr selt­samer Schritt ist, wie auch die Fre­undin später anmerkt und in Trä­nen aus­bricht. Und ob das Vorhaben so über­haupt gelingt, ste­ht in den Ster­nen. Sein Unter­mi­eter ist im Gegen­satz zu sein­er eige­nen Spießigkeit ein Bon­vi­vant, mit dem der Buch-Daniel aber wenig anz­u­fan­gen weiß. Den Leser lässt er ger­ade anfangs mit vie­len Ver­gle­ichen, die unerk­lärt in der Luft hän­gen bleiben, und den Kapiteln vor­angestell­ten Zierz­i­tat­en alleine. Aber warum sollte es dem Leser auch anders erge­hen als den Per­so­n­en im Buch?

Wich­mann verkauft seine Leser nicht für blöd, riskiert einiges mit ein­er so auto­bi­ographis­chen Geschichte und liefert ein dur­chaus inter­es­santes Ibben­büren-Bild. Über­haupt sollte Ibben­büren öfter in der Lit­er­atur auf­tauchen, wenn man mich fragt. Also: Lesen Sie diese Geschichte!

Daniel Wich­mann — Ella: Ein Hund fürs Leben , ISBN: 3855357943, Erschei­n­ung­ster­min: 20.02.2014

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Jürgen Kehrer: Wilsberg — Gottesgemüse

Der drit­ter Teil der Wils­berg-Büch­er-Serie, Gottes­gemüse , spielt im hochbe­tucht­en Sek­ten-Milieu. Das Buch wurde nicht ver­filmt, die Hand­lung kommt einem allerd­ings auch hin­läu­fig bekan­nt vor. Vielle­icht war das in den 90ern anders, aber unterm Strich bleibt nur eine Ver­fol­gungs­jagd nach Eng­land übrig. Wed­er son­der­lich span­nend, noch sprach­lich oder inhaltlich im Gedächt­nis bleibend.

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Peter Buwalda — Bonita Avenue

Mehr als 300.000 Mal wurde dieser Schmök­er alleine in den Nieder­lan­den verkauft. Es han­delt vom Ensched­er Hochschullehrer Sierius, dessen Kinder sein­er Patch­work-Fam­i­lie im Erwach­se­nenal­ter Prob­leme machen, was als heil­lose, gewaltvolle und sex­uelle Katas­tro­phe sein Leben zerstört.

Der Ver­gle­ich mit Jonathan Franzen hinkt, denn bei Boni­ta Avenue han­delt es sich weniger um eine gesellschaftliche Analyse über eine Fam­i­lie als um die Odysee eines famil­iären Nieder­gangs. Im Nieder­ländis­chen reißt der Roman durch seine Wort­ge­walt mit, welche in der deutschen Über­set­zung lei­der oft­mals hol­prig daher kommt. Man braucht sicher­lich einen län­geren Atem, um mit dem Werk zurecht zu kom­men, aber es lohnt sich.

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Jörg Hartmann/ Jürgen Kehrer — Wilsberg: In alter Freundschaft

wilsbergfreundschaft Den zweit­en Wils­berg-Kri­mi gibt es seit let­ztem Jahr auch als Com­ic-Ver­sion (die gibt es auch online), illus­tri­ert durch Zeich­nun­gen von Jörg Hart­mann. Damit trifft man neben den zwei Fernse­hermit­tlern nun auf die dritte bildliche Verkör­pe­rung des Georg Wils­berg. Würde mich ja wun­dern, wenn der es nicht noch in Mün­ster auf die Bühne schafft. 

Hart­mann gelin­gen sehr schöne Zeich­nun­gen Mün­sters und Ams­ter­dams, das hat mir sehr gut gefall­en. Der Fall ist ähn­lich span­nungsre­ich oder span­nungsarm wie der erste, hat einen ähn­lichen Ver­lauf, was aber als Com­ic dur­chaus unter­halt­sam funk­tion­iert. Die Ver­fil­mung wartet mit der beza­ubern­den Bar­bara Rud­nik auf, einem gut aufgelegten Thorsten Nin­del, Thomas Schücke und ein­er glänzen­den Rita Russek.

Worum geht’s? Wils­berg muss die Ver­strick­un­gen, in die seine alte, immer noch verehrte Jugend­liebe sich verf­ing und let­zten Endes daran zu Grunde ging, entwirren. Dabei kriegt er wahlweise derbe eins auf’s Maul (Buch/Comic) oder mit der Polizei zu tun (Film).

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Jürgen Kehrer — Und die Toten lässt man ruhen

wilsberg1996

23 Jahre nach dem Erscheinen des Buch­es und 18 Jahre nach der Ver­fil­mung war es mal an der Zeit, den ersten Wils­berg unter die Lupe zu nehmen — wenn man schon ein­mal dabei ist, Mün­ster­land-Krim­is zu lesen.

Ein psy­chisch angeschla­gen­er Mann aus Nord­walde beauf­tragt den Münz- und Brief­marken­händler Georg Wils­berg, der zusät­zlich als Detek­tiv arbetet, den ver­meindlichen Selb­st­mord seines Brud­ers vor 11 bzw. 16 Jahren zu unter­suchen. Wils­berg kommt einem Kor­rup­tion­sskan­dal auf die Spur und löst das Geheim­nis um den fin­gierten Selbstmord.

Im Buch wird die Geschichte ab und an mit etwas Lokalkolorit deko­ri­ert, die Auflö­sung kommt schließlich aber etwas aus heit­erem Him­mel. Zum Mitrat­en oder ‑fiebern ist das nichts.

Der Film hat außer ein­er Ver­fol­gungs­jagd durch die Innen­stadt und ein paar älteren Häusern wenig Lokalkolorit zu bieten, dafür spie­len die großar­tige Hans-Mar­tin Sti­er, Ste­fan Wim­mer und Hein­rich Schafmeis­ter mit, let­zter­er der einzige, der in fol­gen­den Wils­berg-Fil­men wiederzuse­hen ist. Joachim Król spielt eigentlich so wie immer. Der Auf­tragge­ber und seine Nichte wer­den als psy­chisch angeschla­gen­er dargestellt als im Buch, was etwas über­zo­gen wird. Der böse Kom­mis­sar wird auch etwas anders dargestellt. Anson­sten entspricht der Film in vie­len Din­gen der Vorlage.

Alles in allem: Harm­lose Unter­hal­tung, die man schnell vergisst.

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